Erwerbungsgeschichte des Heroons von Trysa

Projektträger: Institut für Klassische Archäologie, Kunsthistorisches Museum Wien; mit Unterstützung der Kleinasiatischen Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften

Projektleitung: o. Univ.-Prof. Dr. Jürgen Borchhardt, Mag. Dr. Hubert D. Szemethy

Mitarbeiter: Mag. Dr. Hubert D. Szemethy, Dr. Alfred Bernhard-Walcher, o. Univ.-Prof. Dr. Jürgen Borchhardt, HR Dr. Kurt Gschwantler

Finanzierung: Institut für Klassische Archäologie, Universität Wien

Modell des Heroons von Trysa.

Das auf Rückforderungsansprüche der Türkei Anfang der 90er Jahre zurückgehende Projekt versucht, die Erwerbungsgeschichte des Heroons von Trysa so lückenlos wie möglich darzustellen. Zur Klärung von bislang offenen Fragen konnte im Rahmen einer Dissertation neben den einschlägigen Fachpublikationen des vorigen Jahrhunderts in großem Umfang auf bisher unveröffentlichtes Material aus zahlreichen öffentlichen und privaten Archiven des In- und Auslands zurückgegriffen werden. Dadurch sind wir nun in der Lage, die Ereignisse der Jahre 1880 bis 1884 fast vollständig dokumentieren zu können. Die Arbeit befindet sich derzeit in Druck.Die Entdeckung des Heroons von Trysa in der unwegsamen Bergwelt Lykiens geht zurück auf den Posener Gymnasiallehrer und Forschungsreisenden Julius August Schönborn, der am 20. Dezember 1841 im Zuge von ausgedehnten Reisen durch Kleinasien auf die Überreste einer antiken Siedlung, auf zahlreiche Sarkophage und das mit Relieffriesen ausgestattete Heroon stieß. Nach seinem Tod geriet das Heroon von Trysa allerdings wieder in Vergessenheit. Lediglich in K. Ritters Werk zur Erdkunde von Asien fanden sich Erwähnungen dazu.Einer von Otto Benndorf, dem zweiten Ordinarius am Institut für Klassische Archäologie in Wien, im Jahre 1881 im Auftrag des Ministeriums für Cultus und Unterricht ausgerichteten ersten Expedition, an welcher auch G. Niemann, F. von Luschan und der Hofphotograph W. Burger teilnahmen, gelang schließlich am 17. April 1881 die Wiederentdeckung dieses lykischen Grabmonumentes.

Arbeiten im Heroon von Trysa - Photo: F. von Luschan, 1882.

Versammelte Expeditionsteilnehmer und Arbeiter auf dem Lagerplatz unterhalb des Heroons von Trysa im Jahre 1882 - Photo: F. von Luschan, 1882.

Planskizze des Weges vom Heroon zur Andraki-Bucht.

Das Vorhaben einer zweiten Expedition unter der abermaligen Leitung von O. Benndorf fand im Kreise von Wiener Kunstliebhabern aus dem Hochadel und dem reichen Bürgertum ausreichend Unterstützung, sodaß sich noch 1881 unter dem Vorsitz von Edmund Graf Zichy und Nikolaus Dumba eine "Gesellschaft für archäologische Erforschung Kleinasiens" konstituierte. Ausgestattet mit einem Ferman, der dem Gesetz entsprechend der Gesellschaft ein Drittel der Funde zusicherte, machte man sich an die Arbeit. Ausgrabungen wurden durchgeführt, die Relieffriese, welche dem Kaiser als Widmung vermacht werden sollten, wurden abgenommen, für einen leichteren Transport auf eine Dicke von 20-25 cm abgestückt und in mit Eisen verstärkte Holzkisten verpackt. Der technische Leiter der Expedition, G. Knaffl Ritter von Fohnsdorf, hatte einen etwa 22 km langen Weg bis ans Meer herzurichten, der in 17 Kehren über einen Steilhang ins Demre-Tal angelegt werden mußte und in weiterer Folge durch das im Sommer ausgetrocknete Flußtal führte. Auf diesem Weg wurden sämtliche Funde an die Küste gebracht. Eine erste Fundteilung am 4. September 1882 erbrachte für die Gesellschaft 79 Kisten, die den ganzen zusammenhängenden West- und Südfries in einer Länge von über 30 laufenden Metern repräsentierten.
Durch diplomatische Verhandlungen in Constantinopel und Wien wurde von der kaiserlich ottomanischen Regierung ein neuer deutungsfähiger Auftrag erwirkt, wonach bei der Teilung künstlerisch Zusammengehöriges nicht zu trennen sei. Auf dieser Grundlage fand am 12. September eine zweite Fundteilung statt, in welcher der türkische Grabungscommissär Suleiman Effendi der Expedition durch Ausstellung eines neuen schriftlichen Aktes den Besitz aller 168 Kisten zusprach, und der Douanier von Dembre gab in Gegenwart von Zeugen die Erklärung, daß er die Einschiffung gegen einen Zoll von 12 Lira gestatten werde. Lediglich das kolossale Tor und zwei Sarkophage mußten in der Gegend des Heroons von Trysa zurückgelassen werden.

Telegramm des österreichischen Botschafters in Constantinopel, Heinrich Freiherr von Calice, an das Ministerium des Äußern in Wien.

Skizzen des Dereimis- und Aischylos-Sarkophages aus dem Tagebuch G. Knaffls (Archiv des Österreichischen Archäologischen Instituts).

Diese Monumente sollten schließlich in einer dritten Expedition unter der Leitung G. Knaffls nach Wien transferiert werden. Gleichsam als Gegenleistung für die Überlassung der zurückgebliebenen Fundstücke stellten die türkischen Behörden die wohl auf Osman Hamdi Bey zurückgehende Forderung, daß der sog. Delphinsarkophag durch die Gesellschaft nach Constantinopel zu bringen sei: "Edhem Pascha versprach gegen kostenfreien Transport des einen Sarkophages nach Constantinopel, Steine in Gölba(s)chi archäologischer Gesellschaft zu überlassen."
Der Transport dieser kolossalen Blöcke bereitete natürlich vor allem über den Steilhang jede Menge Schwierigkeiten. Der Türsturz des Tores des Heroons ging dabei zu Bruch. Besonders erschwert wurde diese letzte Expedition durch äußerst schlechte Witterungsverhältnisse, die mit sich brachten, daß der im Sommer trockene Demre-Fluß Hochwasser führte, sodaß die Arbeiter mitunter in fast bis zur Brust reichendem Wasser stehend tätig waren. Erst im Frühjahr 1884 waren die Transportarbeiten abgeschlossen. Der Delphinsarkophag wurde in Constantinopel den türkischen Behörden am 30. April 1884 übergeben und die restlichen Fundstücke nach Wien transportiert, wo sie im Mai im Kunsthistorischen Museum einlangten, in dessen Verwahrung sie sich noch heute befinden.

Publikation:
Hubert D. Szemethy, Die Erwerbungsgeschichte des Heroons von Trysa. Ein Kapitel österreichisch-türkischer Kulturpolitik, mit einem Beitrag von S. Pfeiffer-Tas, Wiener Forschungen zur Archäologie 9 (2005)

Hubert D. Szemethy