Forschungen in Velia (Großgriechenland)

 

Die Heiligtümer von Velia auf dem Höhenrücken der Stadt

Die Heiligtümer auf dem Höhenrücken von Velia stellen von 2004 bis heute einen Schwerpunkt der österreichischen Forschungen in der Stadt dar. Seit 2004 finden hier auch die Lehrgrabungen des Instituts statt. 

Die Grabungen erfolgten in enger Kooperation mit der Soprintendenza dei Beni Archeologici delle Province Salerno e Avellino und wurden von der Universität Wien sowie dem FWF gefördert.

Projekt FWF P18682-G02. (Laufzeit: 1. Februar 2006 - 31. Mai 2008)

Projektleitunga. o. Prof. Dr. Verena Gassner

MitarbeiterInnen: MMag. Dr. Dieta Svoboda, Dr. Maria Trapichler, Mechthild Ladurner

Das älteste und wichtigste Heiligtum der Stadt befand sich auf der Akropolis und war vermutlich der Athena geweiht. Mit seiner Erforschung sind unsere italienischen KollegInnen beschäftigt.

Auch der nach Osten folgende Hügel, der sog. Sektor II, war seit der Gründung der Stadt besiedelt und vereinzelte Funde lassen dort ein Heiligtum der spätarchaischen Zeit vermuten, dessen bauliche Reste aufgrund der späteren Überbauung aber vollständig zerstört wurden.

Akropolis Tempel

Die in diesem Bereich liegenden Kultplätze 1 und 2 gehören mit ihren sichtbaren Überresten frühestens dem 4. Jh. v. Chr., vor allem aber der hellenistischen Zeit an.

Kultplatz 1 organisiert sich rund um einen Steinnaiskos, der zunächst im Vergleich mit dem bekannten spätarchaischen Naiskos des sog. Kybeletyps ebenfalls dieser Göttin zugeschrieben wurde. Er stammt jedoch erst aus hellenistischer Zeit. Getrennt durch den Einschnitt bei der sog. Porta Rosa, wurde der östliche Teil des Höhenrückens in mehrere Kultplätze organisiert, die in der Regel durch Hofanlagen mit begleitenden Hallen, Altäre, Bothroi und Basen für Stelen oder Weihgeschenke gekennzeichnet sind.

Kultplatz 1

Kultplatz 2 war dem Poseidon Asphaleios und der Göttin Hera geweiht, wie die hier 1949 von P. Sestieri gefunden Steincippen belegen. Die monumentale Ausgestaltung des Heiligtums um eine zentrale Platzanlage erfolgte in hellenistischer Zeit.

Kultplatz 2

Der Kultplatz 3, ein kleines terrassenartiges Heiligtum, liegt dem Einschnitt der Porta Rosa am nächsten. Es handelt sich um einen ziegelgepflasterten Hof, in dem zwei Basen aufgestellt waren. An seiner Westseite kann ein kleiner Kultraum rekonstruieren werden. Der Eingang zu dem Heiligtum lag ursprünglich im Osten und war als kleines Propylon gestaltet.

Kultplatz 3, Luftbild

Der in das 4. Jh. v. Chr. datierende Kultplatz 4 bestand aus mindestens 10 kleinen Schreinen, die mit Ziegelplatten verschlossen wurden und Weihgeschenke, vor allem Miniaturgefäße und Statuetten von einer thronenden Göttin, enthielten. Die meisten der erhaltenen Miniaturgefäßen wurden jedoch nicht in situ, sondern in den lehmigen Zerstörungstraten aufgefunden, darunter eine Lekane mit der Ritzinschrift HPAK [ΛΕΣ] und zahlreiche Hydrien, die sich besonders an einer Stelle im Osten des Kultplatzes konzentrierten. Der am besten erhaltene Naiskos wurde geborgen und in das Depot transportiert. Trotz des schlechten Erhaltungszustands lassen sich die Anordnung von Figurengruppen und Miniaturgefäßen erkennen. Im Südosten dieses Kultplatzes konnten zwei in den Fels eingetiefte Gruben, die möglicherweise als Bothroi zu interpretieren sind, festgestellt (Kultplatz 5).

Kultplatz 4, Übersicht

Weiter Richtung Osten erreicht man den sog. Kultplatz 6, dessen Kultbau mit quadratischem Grundriss auf eine Anlage im späten 4. Jh. v. Chr. hinweist. Erstmals ist hier für Velia jedoch auch noch eine Nutzung bis in augusteisch-tiberianische Zeit belegt. Das Areal wurde außerdem nochmals in der Spätantike vermutlich ebenfalls im Rahmen von Kulthandlungen genutzt.

Kultplatz 6, Luftbild

Auch die früheste sakrale Nutzung des Kultplatz 7 ist in hellenistischer Zeit anzunehmen. Die architektonische Anlage, die mindestens drei Bauphasen aufweist, bestand in ihrer letzten Ausbauphase (2. Hälfte 3. Jh. v. Chr.) aus einem gepflasterten Hof mit einem kleinen Podiumstempel, dem ein Ensemble aus einem Altar und zwei Basen vorgelagert war. Die Platzanlage wurde im Norden von der Stadtmauer und einer daran angebauten Portikus sowie einem weiteren Kultbau, dem sog. Oikos, begrenzt. Im Tempel fand sich eine Scherbe mit der Ritzinschrift Enyal[ios], die häufig als Epiklese des Mars belegt ist, und somit einen Hinweis auf einen möglichen Kultinhaber gibt.

Kultplatz 7, Luftbild

Der bedeutendste Kultplatz im Ostteil der Stadt war die sog. Zeusterrasse (Kultplatz 8), die A. Maiuri schon 1927 freigelegt und ihre Terrassierung teilweise wieder aufgebaut hat. Dieses Heiligtum ist der Schwerpunkt des aktuellen Forschungsprojektes. In ihrem Ostteil befanden sich ein großer Altar sowie drei Cippen für Zeus Ourios, Olympios Kairos und Pompaios. Durch die starke Erosion und die älteren Grabungen lassen sich heute nur mehrere Felsrinnen, aber keine weiteren baulichen Strukturen feststellen.

Besonders schlecht ist der Erhaltungszustand des sog. Kultplatz 9, der unmittelbar östlich an die Zeusterrasse anschließt. Erst bei einem Brand im Jahre 2008 konnte festgestellt werden, dass sich auch hier einige Reste von Quadermauerwerk erhalten haben. Im Rahmen des aktuellen Projektes zum Zeusheiligtum von Velia soll nun geklärt werden, ob es sich um eine Erweiterung des Zeusheiligtums oder um eine eigenständige sakrale Zone handelt.

Kultplatz 8, Altar und Einfassung

Bibliographie

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  • V. Gassner – D. Svoboda, Der Kultplatz 9 in Velia – ein Heiligtum des 3. Jh. v. Chr. Die Ergebnisse der Kampagne 2012. Forum Archaeologiae 64/IX/2012 (http://farch.net)
  • V. Gassner – D. Svoboda, L’area sacra n. 8 (la cd. Terrazza di Zeus) e area sacra n.9, FastiOnline <http://www.fastionline.org/micro_view.php?fst_cd=AIAC_2583&curcol=sea_cd-AIAC_4458> (10.1.2013)
  • V. Gassner, Elea – Velia, codice catastale foglio 9, particella 13, 2010, in: FastiOnline 2011 (http://www.fastionline.org/micro_view.php?fst_cd=AIAC_ 2583&curcol=sea_cd-AIAC_3533, 10. 1. 2013)
  • V. Gassner, Die thronende Göttin im Naiskos – ein weiteres Zeugnis der Kybele in Elea? in: A. Serdar – A. Kazım Öz (Hrsg.), Metropolis Ionia II - Yolların Kesiştiği Yer. Recep Meriç İçin Yazılar (Istanbul 2010) 145-152
  • D.F. Svoboda, Untersuchungen zur räumlichen Organisation von Heiligtümern am Beispiel des Kultplatzes 1 von Velia, in: V. Gassner – M. Meyer (Hrsg.), Akten des 12. Österreichischen Archäologentages, Wien 27.2.-1.3.2008 (Wien 2010) 103-111
  • M. Ladurner, Terrakottafunde vom Kultplatz 1 in Velia: Zwei Beispiele, in: V. Gassner – M. Meyer (Hrsg.), Akten des 12. Österreichischen Archäologentages, Wien 27.2.-1.3.2008 (Wien 2010) 113-119
  • V. Gassner – D. Svoboda – M. Ladurner – M. Trapichler, Le aree sacre sul crinale in età tardo-arcaica e classica, in: G. Tocco Sciarelli (Hrsg.), La cinta fortificata e le aree sacre. Velia (Mailand 2009) 79-101
  • D. Svoboda, Il tempio dell’area sacra n. 7 nell’ultima fase: un tempio repubblicano?, in: G. Tocco Sciarelli (Hrsg.), La cinta fortificata e le aree sacre. Velia (Mailand 2009) 117-121
  • V. Gassner, Doni votivi nei santuari di Elea: cippi, naiskoi e il loro contesto, in: G. Greco (Hrsg.), Doni agli dei. Il sistema dei doni votivi nei santuari. Seminario di studi Napoli 21 aprile 2006 (Pozzuoli 2008) 141-160
  • V. Gassner, Velia 2008: die Zeusterrasse, Forum Archaeologiae 49/12/2008 (http://farch.net)
  • D.F. Svoboda, Der Kultplatz 1 von Velia - Vorläufige Ergebnisse der Grabungen 2006, Forum Archaeologiae 46/III/2008 (http://farch.net)
  • V. Gassner, Velia 2007 – der Kultplatz 6, Forum Archaeologiae 45 / XII / 2007 (http://farch.net)
  • G. Greco, Strutture e materiali del sacro ad Elea-Velia, in: Velia. Atti 45 CSMG, Taranto 21-25 settembre 2005, Taranto 2006, 287-361.
  • V. Gassner, Das Heiligtum der Naiskoi, in: P. Amann – M. Pedrazzi – H. Taueber (Hrsg.), Italo – Tusco – Romana. Festschrift für Luciana Aigner-Foresti (Wien 2006) 233-244
  • V. Gassner, Velia 2006 – Die Grabungen auf der Terrasse I, Forum Archaeologiae - Zeitschrift für klassische Archäologie 41/XII/2006 (http://farch.net)
  • V. Gassner, Elea/Velia, Terrasse I: Die spätarchaische Wohnbebauung und das sogenannte Heiligtum des Poseidon Asphaleios, ÖJh 74, 2005, 39-71
  • V. Gassner, Velia 2005 – das Heiligtum der Naiskoi, Forum Archaeologiae 37/XII/2005, (http://farch.net)
  • L. Vecchio, Le iscrizione greche, Velia-Studien 3 ( Wien 2003)

Die Stadtmauern von Velia

Projektträger: Institut für Klassische Archäologie

Projektleitung: a.o. Prof. Dr. Verena Gassner

MitarbeiterInnen: Dr. Alexander Sokolicek, Mag. Dr. Maria Trapichler

Finanzierung: Universität Wien; Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (P 15012; 2001-2005); Soprintendenza per i Beni Archeologici delle Province di Salerno, Benevento e Avellino

Die Stadtmauern von Velia

Die Befestigung von Velia geht in ihrer ersten, bereits das ganze spätere Stadtgebiet umfassenden Ausdehnung auf die Mitte des 5. Jhs. v. Chr. zurück. Diese Mauer bestand aus einem (polygonalen) Steinsockel und einem Aufgehenden aus Lehmziegeln und entsprach in ihrem Charakter den sogenannten Geländemauern. In Periode 2, die um 400 v. Chr. anzusetzen ist, wurde die Kurtine verbreitert und mit der Errichtung von Türmen begonnen. Außerdem wurde der Mauerzug B errichtet, der den südlichen Stadtteil in eine West- und eine Osthälfte teilte. In der hellenistischen Zeit, vermutlich erst an der Wende vom 3. zum 2. Jh. v. Chr. wurde die gesamte Stadtmauer nochmals erneuert, wobei auch die Errichtung der Porta Rosa in diese Zeit fallen dürfte.

Stadtplan

Die Forschungen des Instituts für Klassische Archäologie konzentrierten sich in den Jahren 1997-1999 auf die Unterstadt mit den Mauerzügen B und E sowie die neugefunde, spätarchaische Südbegrenzung der Stadt, Mauerzug G.

Mauerzug G unter dem Turm B3

In diesem Bereich wurde die bereits von der älteren Forschung vorgeschlagene Periodeneinteilung der Befestigungen durch die Bauanalyse der genannten Teile überprüft sowie durch die gezielte Anlage von Sondierungen Anhaltspunkte für die zeitliche Einordnung dieser Perioden gewonnen. Weiters konnten Aufschlüsse über die mögliche Lokalisierung des Hafens gewonnen werden (Mauern im Bereich des Turms B 5).

Möglicherweise mit dem Hafen in Verbindung stehende Mauern im Bereich des Turms B 5

Diese Ergebnisse wurden auf den auf dem Höhenrücken gelegenen Mauerzug A übertragen, wo aufgrund der stetigen Erosion nur mehr bedingt archäologische Straten erhalten sind. Die Arbeiten fanden in den Jahren 2000-2004 statt und dienten gleichzeitig der Vorbereitung eines umfassenden Restaurierungsprojektes des Mauerzugs A durch die Soprintendenza. Sie umfaßten neben der Dokumentation der gesamten Mauer Kontrollgrabungen im Bereich der Türme A 9, A 6 und A 4 sowie innerhalb und außerhalb der Eckbefestigung des Castelluccio.

Die Endpublikation des Projekts soll Anfang 2013 abgeschlossen werden und wird als Band 4 der Velia-Studien erscheinen.

Bibliographie Stadtmauer

  • V. Gassner, Velia - Fortifications and Urban Design. The development of the town from the late 6th to the 3rd c. BC., in: Empúries. Journals of the Museu d’archeologia de Catalunya 57 (in Druck)
  • M. Trapichler, Glanztonware aus Velia vom letzten Drittel des 4. bis zur Mitte des 3. Jhs. v. Chr. Kontinuität und Veränderung, in: Proceedings of 7th Scientific Meeting on Hellenistic Pottery, Aigion 2004. Proceedings (Athens 2011) 603-612
  • V. Gassner – F. Krinzinger – A. Sokolicek – M. Trapichler, Il sistema difensivo, in: G. Tocco Sciarelli (Hrsg.), La cinta fortificata e le aree sacre. Velia (Mailand 2009) 23-39
  • V. Gassner – A. Sokolicek – M. Trapichler, Il tratto A, in: G. Tocco Sciarelli (Hrsg.), La cinta fortificata e le aree sacre. Velia (Mailand 2009) 40-78
  • F. Krinzinger, Velia. Architettura e urbanistica, in: Velia. Atti 45 CSMG, Taranto, 21-25 settembre 2005 (Taranto 2006) 157-191
  • A. Sokolicek, Architettura e urbanistica di Velia: lo sviluppo della città in relazione al cosiddetto tratto A delle mura, in: Velia, Atti 45 CSMG, Taranto, 21-25 settembre 2005 (Taranto 2006) 193-203
  • G. Greco, Elea: la forma della città, in: M. Bugno (Hrsg.), Senonfane ed Elea tra Ionia e Magna Grecia (Napoli 2005) 149-172
  • V. Gassner – A. Sokolicek, Velia 2003, Forum Archaeologiae 30/3, 2003 (http://farch.net)
  • V. Gassner – A. Sokolicek – M. Trapichler, Die hellenistischen Stadtmauern von Elea: Die Ergebnisse der österreichischen Forschungen der Jahre 2000-2002, ÖJh 72, 2003, 67-95
  • A. Sokolicek, Velia: città divisa, in: G. Greco (Hrsg.), Elea - Velia, le nuove ricerche, Atti del Convegno di studi 14 dicembre 2001, Quaderni del Centro Studi Magna Grecia I (Pozzuoli 2003) 189-198
  • V. Gassner – A. Sokolicek – M. Trapichler, Velia 2002 - Forschungen im Bereich des "Castelluccio", Forum Archaeologiae 25/XII/2002 (http://farch.net)
  • V. Gassner, Velia 2001 - Kurzbericht über die Grabungskampagne 2001, Forum Archaeologiae 21/12, 2001 (http://farch.net)
  • V. Gassner – A. Sokolicek, Die Befestigungsanlagen von Velia. Vorbericht zu den Grabungen in der Unterstadt 1997-1999, ÖJh 69, 2000, 95-127
  • V. Gassner – F. Krinzinger – A. Sokolicek, Die spätarchaischen Stadtmauern von Velia, in: F. Krinzinger (Hrsg.), Die Ägäis und das westliche Mittelmeer. Beziehungen und Wechselwirkungen 8.-5. Jh. v. Chr., Akten des Symposions Wien, 24.-27. März 1999 (Wien 2000) 77-80
  • F. Krinzinger, Intorno alla pianta di Velia, in: G. Greco - F. Krinzinger (Hrsg.), Velia. Studi e ricerche (Modena 1994) 32-34
  • F. Krinzinger, Die Stadtmauern von Elea, in: P. Leriche – H. Tréziny (Hrsg.), La fortification dans l’histoire du monde grec. Actes du colloque international ‘La fortification et sa place dans l’histoire politique, culturelle et sociale de monde grec’, Valbonne decembre 1982 (Paris 1986) 121-124
  • F. Krinzinger, Die Stadtmauern von Velia (Habilitationsschrift Innsbruck 1979)