Über das Projekt
Dieses von der Universität Wien gemeinsam mit externen Experten als Kooperationspartner durchgeführte Projekt untersucht periphere ländliche Siedlungen mit besonderem Fokus auf den Standort al-Jumayil im heutigen Jordanien.
Das Dorf, welches in der Peripherie der kirchlichen Gerichtsbarkeit der Diözese Madaba, in unmittelbarer Nähe des Castrum Mefaa (Umm er-Rasas), liegt, weist einen kompakten spätantiken Siedlungsraum (ca. 150 m x 200 m) auf. Darüber hinaus enthält es die relativ gut erhaltenen Überreste einer alten Agrarlandschaft, die sich über eine Fläche von einem Hektar erstrecken.
Diese Grundlagen ermöglichen die Identifizierung eines vielversprechenden Forschungsgebietes. Um Ergebnisse hervorzubringen, welche ein ganzheitliches Verständnis der Siedlungsentwicklung über eine lange Zeitspanne vom 4. bis zum 8./9. Jh. Chr. ermöglichen, bedarf es eines interdisziplinären Ansatzes, welcher über archäologische Techniken hinaus auch naturwissenschaftliche Forschungen inkludiert.
Die Absicht des Forschungsprojekts ist es, die Rolle einer peripheren ländlichen Siedlung in einer ganzheitlichen Perspektive zu verstehen und sich mit der anthropogen veränderten Landschaft zu befassen. Hierzu zählen die wichtigsten Merkmale der gebauten Umwelt, der materiellen Kultur und der Landnutzung; die Arten von landwirtschaftlichen Erzeugnissen/Kulturen, der Umgang mit Wasserressourcen und Umweltbedingungen, sowie Wirtschaftsnetzwerk. Die generierten Daten werden verwendet, um zu verstehen, wie sich diese Elemente auf die Entwicklung und das Wachstum der Siedlung ausgewirkt haben und ob bestimmte Bedingungen bei ihrem Niedergang eine Rolle gespielt haben.
Mit einem interdisziplinären Ansatz unter Verwendung geisteswissenschaftlicher (Geschichte, Archäologie) und naturwissenschaftlicher Instrumente wird im Zuge des Projektes versucht, die komplexen Phänomene hinter der Funktion eines spätantiken Dorfes in seinem regionalen Kontext zu verstehen. Dazu gehören Ausgrabungen, die Kartierung vorhandener Strukturen, photogrammetrische Untersuchungen, geoarchäologische Studien, Umweltgeologie, Archäobotanik, Zooarchäologie und Anthropologie. So soll ein umfassendes Bild der Organisation der Siedlung und ihrer Bewohner, auf frühere Ernährungspraktiken, Gesundheitsbedingungen und Konsummuster, sowie der Schwankungen der lokalen Wirtschaft und der Präferenzen in der landwirtschaftlichen Produktion erstellt werden. Zudem soll analysiert werden, ob einer oder mehrere dieser Faktoren von Umweltveränderungen beeinflusst wurden und wie sich eine solche Beeinflussung auswirkte.
Ziel ist es, Bottom-up-Einblicke in Mensch-Landschafts-Beziehungen in einem regionalen und überregionalen Netzwerk zu ermöglichen. Die erwarteten Ergebnisse werden die vielfältigen Einflussfaktoren betonen und zu einem besseren Verständnis der Entwicklung anthropogener Landschaften in der Levante über die lange Siedlungsspanne der Spätantike führen und einen wesentlichen Beitrag zu einer Kernfrage der wissenschaftlichen Debatte leisten, die potenzielle Auswirkungen auf heute hat: nämlich, die Gründe für den allgemeinen Niedergang dörflicher Gemeinschaften und die Schrumpfung der lokalen Wirtschaft in den ersten Jahrzehnten des 9. Jahrhunderts, die mit dem Beginn der abbasidischen Herrschaft in der Region zusammenfällt.
VIDEO: 3D-Modell einer antiken Pressanlage