Exkursion Germania Superior und Raetia

Bei schönstem Sommerwetter absolvierte eine Gruppe von sieben Student*innen der Klassischen Archäologie, aber auch der Urgeschichte und historischen Archäologie, zusammen mit Günther Schörner und Julia Kopf vom 8. bis 18. August 2022 eine Exkursion in die ehemaligen römischen Provinzen Germania Superior und Raetia. Zu Beginn stand gleich ein Highlight auf dem Programm: die Koloniestadt Augusta Raurica, das heutige Augst in der Schweiz. Dort gab es u. a. den größten Silberschatz der Spätantike und eines der besterhaltenen Theater nördlich der Alpen zu sehen. Von ganz anderem, militärischem Charakter, aber nicht weniger beeindruckend, waren die baulichen Überreste und die Fundstücke im Museum im frühkaiserzeitlichen Legionslager Vindonissa/Windisch. Mit der Bahn, dem Verkehrsmittel unserer Wahl für die gesamte Exkursion, ging es dann mit einem Zwischenstopp im vorarlberg museum in Bregenz, wo Gerhard Grabher uns das Haus und die römische Ausstellung näherbrachte, ins bayerische Alpenvorland.

In Kempten konnten wir unter fachkundiger lokaler Führung – an dieser Stelle einen herzlichen Dank an Johannes Schießl – eine Ausgrabung und die kürzlich eröffnete Ausstellung im ʺgallorömischenʺ Tempelbezirk besichtigen. Das nächste Etappenziel war der mittelkaiserzeitliche Statthaltersitz Augusta Vindelicum-Augsburg, wo die Studierenden mangels heute noch sichtbarer römischer Baureste v. a. ihre epigraphischen Kenntnisse anwenden und erweitern konnten. Die letzten Tage der Reise standen dann ganz im Zeichen des raetischen Limes und damit des römischen Militärs, wobei die beiden Limesinformationszentren Aalen (Baden-Württemberg) und Biriciana-Weißenburg (Bayern) natürlich ebenso wenig fehlen durften wie das Gäubodenmuseum in Straubing, dessen äußerst umfangreiche und beeindruckende Sammlung uns der Museumsleiter Günther Moosbauer persönlich präsentierte. Letzter Stopp der Reise war Castra Regina-Regensburg: Die im heutigen Stadtbild noch sichtbaren Monumente dieses Legionslagers aus dem späteren 2. Jh. n. Chr., allen voran die hoch aufragenden Reste der Porta Praetoria, und die umfangreiche archäologische und epigraphische Sammlung des Museums waren ein würdiger Abschluss der Exkursion.

Wie üblich hatten die Studierenden im Vorfeld die wichtigsten Eckdaten zur Geschichte und zu den Monumenten einer Stätte vorbereitet und führten die Gruppe dann vor Ort, was eine gute Übung für eine mögliche spätere Tätigkeit in der Kulturvermittlung darstellt. Welche weiteren speziellen Lerneffekte hatte diese Exkursion für die Teilnehmer*innen? Einerseits konnten sie wegen des unterschiedlichen Charakters der besuchten Stätten – von der Kleinstadt (Bregenz) zur Koloniestadt (Augst), von Auxiliarkastellen (Weißenburg, Straubing, Aalen) zu Legionslagern (Windisch, Regensburg) – Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Entwicklung und der materiellen Hinterlassenschaft von Zivilsiedlungen und Militärlagern unterschiedlicher Größe direkt an den Originalobjekten studieren. Andererseits haben sie eine große Bandbreite an Vermittlungsmöglichkeiten und -konzepten kennengelernt, bedingt durch variierende Überprägungen der antiken Baureste und unterschiedlich großzügige Räumlichkeiten für die Präsentation des Fundmaterials. So sind in der dicht bebauten Augsburger Altstadt die wichtigsten Orte der ehemaligen Hauptstadt Raetiens nur schwer ausmachbar, während die Colonia Augusta Raurica und das Legionslager Vindonissa bis heute nur spärlich überbaut sind und an mehreren Stellen römische Überreste konserviert sind, gestaltet als archäologischer Park mit Rundgang. Dabei wurden auch Vor- und Nachteile verschiedener Arten der Visualisierung archäologischer Baureste diskutiert, spiegeln die Markierung des Südtors von Vindonissa in Form einer puristischen Stahlkonstruktion, der möglichst großer Authentizität verpflichtete Nachbau eines Abschnitts der Umwehrung in Weißenburg oder der ortsversetzte Nachbau militärischer Kasernen inklusive der Innenausstattung in Vindonissa und Aalen doch sehr verschiedene, dem Zeitgeist der Errichtung sowie dem pädagogischen Zweck geschuldete Vermittlungskonzepte wider. Zu guter Letzt haben die Rundgänge mit den lokalen Museumsbeauftragten spannende Einblicke in die vielfältigen Herausforderungen und Aufgaben dieses Arbeitsfeldes gegeben, in dem die inklusive Aufbereitung archäologischer Forschungsergebnisse für ein möglichst breites Spektrum von Besucher*innen inzwischen von zentraler Bedeutung ist.