Legends of the Fettschwanzschafe – eine Reise nach Mailand auf den Spuren der Spätantike, virgines sacrae, Marcellinas‘ Bruder und Aperol Spritz
Ein kurzer Bericht der Studierenden über die Exkursion nach Mailand 2025
Im Frühling erwacht die Welt wieder zum Leben, man verbringt mehr Zeit in der Natur, das Lebensgefühl kehrt langsam zurück. Diese Gefühle haben sich auch bei uns eingestellt – allerdings erst als wir am 24. Mai aus dem kalten, grauen und vor allem verregneten Wien in Mailand ankamen. Eine Woche voller faszinierender Eindrücke stand uns bevor, eine Woche bella Italia im Mai (arguably dem schönsten aller Reisemonate), eine Woche spätantikes Wundern und Staunen.
Gewappnet mit Interesse und Freude begaben wir uns am 25. Mai auf eine Schatzsuche durch die Metropole in Norditalien – auf eine Suche nach spätantiken Spuren unter neuen Kirchen, nach der archäologischen Wahrheit hinter hagiographischen Geschichten und nach ikonographischen Darstellungen aus einer Epoche, die alles nur nicht degeneriert ist. Unser erstes Ziel war die Kirche Santa Maria presso San Satiro, in der wir schnell feststellen mussten, dass nicht alles, was wie eine Apsis aussieht, auch in Realität eine ist. Am Nachmittag ging es mit dem Bus nach Bariano (Convento dei Neveri und S. Maria del Carmine), wo uns durch die Pluralität der Darstellungen, die Bearbeitungsschichten und die diverse Nutzungsgeschichte schnell bewusst wurde, was es bedeute, sich für spätantike Archäologie zu interessieren: ein Potpourri aus Nutzungselementen, Umdeutungen, Reinterpretationen und Kreativität – alles unter den Schichten späterer Nutzungsperioden.
Am folgenden Tag besuchten wir vormittags die Basilica di San Lorenzo, die uns durch ihre erhaltenen Kolonaden und Mosaike begeisterte. Nachmittags besichtigten wir den Duomo di Milano, wo wir von (Prof. Silvia Lusiardi Siena und Dr. Elena Spalla) durch den archäologischen Park unter dem Dom begleitet wurden. Prof. Silvia Lusuardi Siena ermöglichte uns faszinierende Einblicke in die Grabungsgeschichte, die Baugeschichte und die immer noch unbeantworteten Fragen zum Dom von Mailand. Die Frage, woher denn das Wasser für die Baptisterien und die Thermen kam und dann auch wieder verschwand, sollte uns die ganze Exkursion begleiten. Nach der Besichtigung der Kirche, besuchten wir noch das Dom-Museum, welches von außen wesentlich kleiner wirkte, als es war und uns mit einer beeindrucken kuratierten Ausstellung begeisterte.
Wir blieben auch am nächsten Tag nicht von Kirchen verschont (kleiner Schabernack natürlich). Dieses Mal standen die Basilica di Sant‘ Eustorhio sowie das dazugehörige Museo Diocesano Carlo Maria Martini und die Basilica di San Nazaro in Brolo auf dem Programm. Hier erkannten wir, dass einige der spannendsten Geschichten im Detail liegen, als wir die erhaltenen Holztüren der Basilica di Sant‘ Ambrogio und die Silbercapsella von Manlia Dedalia und ähnliche Gegenstände kritisch begutachteten.
Am Mittwoch und Donnerstag verließen wir Mailand um spätantike Meisterwerke auch in der Umgebung zu suchen. Nach der Besichtigung der Basilica di San Simpliciano, nahmen wir den Zug von Mailand in die kleine Stadt Monza, um den dortigen Dom und vor allem das Museum des Doms zu besichtigen. Autorennen sahen wir keines, dafür aber Schätze aus der Sammlung der wohl „coolsten“ Königin der Spätantike, Theodolinda, bestehend aus Pilgerampullen, Votivkronen und Kreuzen mit Splittern des Heiligen Kreuzes und zum krönenden Abschluss die Corona Ferrea, die sagenumwobene Eiserne Krone, die einen Nagel des Heiligen Kreuzes beinhalten soll. Am nächsten Tag nahmen wir den Zug nach Brescia, das antike Brixia, wo wir eine Zeitreise von der Realität und einer pittoresken Kleinstadt zuerst in die Spätantike (mit der Besichtigung des Museo di Santa Giulia, der Kirche San Salvatore und dem Duomo Vecchio) und dann in die römische Kaiserzeit und Republik machten (mit der Besichtigung des antiken Forums, der Wandfresken eines erhaltenen, einer unbekannten Gottheit geweihten Tempelbaus und abschließend der Vittoria Alata).
Freitag und Samstag brachten uns nach Mailand zurück. Am 30. Mai besuchten wir vormittags die Kirche San Vittore al Corpo sowie das Museo delle Scienze um die Überreste des imperialen Mausoleums zu suchen (und zu finden). Dort hatten wir zusätzlich die Möglichkeit eine stattfindende Ausgrabung direkt vor der Kirche zu besuchen und von Grabungsleitung (Dr. Giuliana Cuomo) mehr über aktuelle Grabungsprojekte in Mailand zu erfahren. Nachmittags besichtigten wir – endlich – die Kirche der wohl wichtigsten Person der Spätantike für Mailand: die Basilica di Sant‘ Ambrogio, die noch dem antiken Grundriss folgt und in einer Seitenkapelle das einzige Zentralmosaik in einem Kuppelbau beinhaltet, welches nicht Jesus Christus darstellt (sondern San Vittore!). Der Tag endete mit einem Spaziergang zu den Überresten des Kaiserpalastes und des Hippodroms.
Die Exkursion endete am 31. Mai mit einem Besuch des Castello Sforzesco auf den Spuren einer weiteren eindrucksvollen Frauengestalt der Spätantike – mit Theodora und wunderschönen – aber sehr gut versteckten – Elfenbeindiptychen. Anschließend besuchten wir noch das Archäologische Museum von Mailand, welches unsere Exkursion durch seine ausgewählten Einzelobjekte abrundete.
Die Metropole selbst diente uns als Ausgangspunkt für unsere Erkundungen in und um Mailand, die unsere täglichen Anstrengungen nicht nur mit leckerem Essen belohnte, sondern durch die Aperol-Bars und die Gelaterias auch jeden Abend in einen Urlaubsabend verwandelte und uns das Dolce Vita vorstellte.
Als vielfältig interessierte und harmonische Gruppe verbrachten wir unter der akademischen Leitung von Prof. Hamarneh und Dr. Stafford, die wirklich jede einzelne Frage geduldig beantworteten, eine Woche in Norditalien, die wohl niemanden von uns mehr an der Bedeutung und dem archäologischen Reichtum des spätantiken Mailands zweifeln lässt. Und falls Sie uns in nächster Zeit am Institut über Fettschwanzschafe, Marcellina/Theodora/Theodolinda und Reliquien diskutieren hören – sagen wir Ihnen: „Just believe!“
Katharina Göschelbauer – Jonas Kerschbaum – Hannah Imara Oitzl