Feldforschung in Regina Turdulorum 2022

Unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Günther Schörner wurde für drei Wochen im September von Studierenden des Instituts für Klassische Archäologie im Süden der Iberischen Halbinsel Feldforschung betrieben.

Mittelpunkt der Aktivitäten war das Dorf Casas de Reina in der Extremadura, in dessen unmittelbarer Nähe die antike Siedlung Regina Turdulorum liegt. Diese römische Stadt, eine Gründung aus iulisch-claudischer Zeit, wurde zwar bereits im 19. Jh. identifiziert, ist jedoch nur teilweise ausgegraben. Gut bekannt ist jedenfalls das Stadtzentrum: So sind die Forumsanlage mit mehreren Tempeln und einem Macellum sowie das Theater in einem archäologischen Park zu besichtigen. Kaum erforscht sind jedoch die Wohnhäuser und Randbezirke von Regina, was sich durch die Lehrgrabung ändern sollte.

Lehrgrabung und MiReg

Die Lehrgrabung ist jedoch nicht isoliert zu sehen: Noch weniger als von der Stadt in ihrer Gesamtheit wissen wir nämlich von ihrem Umland. Um diese Forschungslücke zu schließen, wird seit 2021 das FWF-Projekt ‚Miróbriga - Regina Turdulorum: Stadt und Land im römischen Westen (MiReg)‘ durchgeführt. Dabei arbeitet das Institut für Klassische Archäologie der Universität Wien als Lead Agency (Projektleitung: Günther Schörner) mit dem Vorgeschichtlichen Seminar der Universität Marburg (apl. Prof. Dr. Felix Teichner), der Universidad de Cantabria, der Università degli Studi di Modena e Reggio Emilia und den lokalen Antikenbehörden zusammen. Anhand von zwei Untersuchungsgebieten, Miróbriga im heutigen Portugal und eben auch Regina Turdulorum, werden exemplarisch die Stadt-Land-Beziehungen in den römischen Provinzen Lusitania und Baetica erforscht. Dabei wird besonderer Wert darauf gelegt, urbane Zentren und das Hinterland nicht als getrennte Untersuchungsobjekte, sondern als eng miteinander verbundene, sich gegenseitig beeinflussende Räume zu betrachten. Mehr über das Leben in der Stadt zu wissen, ist deshalb unabdingbar. Der Lehrgrabung kommt somit auch aus Sicht dieses internationalen Forschungsprojekts eine ganz besondere Bedeutung zu. 

Grabungsalltag in der spanischen Extremadura

Unter der Anleitung von Dr. Víctor Martínez Hahnmüller und Tutor Alexander Habrich begann die Ausgrabung in der zweiten Septemberwoche mit einem Team von acht Studierenden.
Auf Basis vorhergegangener geophysikalischer Untersuchungen wurden zwei Grabungsschnitte festgelegt, wodurch Erkenntnisse über die städtische Bebauung und die Peripherie des antiken Regina Turdulorum gewonnen werden sollten. So wird eine Umwehrung für die Stadt seit Langem angenommen, konnte bisher jedoch nicht archäologisch nachgewiesen werden. Dementsprechend fiel die Wahl von Schnitt 1 auf ein Areal am Stadtrand, während Schnitt 2 innerhalb einer Domus der Stadt angelegt wurde.
Der relativ späte Sonnenaufgang in dieser Region Spaniens bescherte der Grabungsgruppe fast täglich malerische Landschaftsszenen zu Arbeitsbeginn um 8 Uhr morgens. Bevor die eigentliche Arbeit beginnen konnte, wurden die beiden Schnitte abgesteckt und das Team übte sich im Umgang mit den auf Grabungen gebräuchlichen technischen Geräten. Doch bereits am Nachmittag des ersten Tages konnte mit dem Abtragen des Pflughorizonts im 7 x 4 m großen Schnitt 1 begonnen werden. Im Laufe der ersten Woche wurde unermüdlich die trockene Erde Spaniens entfernt und es kamen bereits römerzeitliche Funde zutage. Neben großen Mengen von Keramik befand sich im Pflughorizont auch die erste von zwei Bronzemünzen.
 
Die zweite Woche der Feldforschungen startete mit bedecktem, leicht regnerischem Wetter. Während der Regen die allgemeine Stimmung nicht trüben konnte, verhinderte er doch temporär das Fortsetzen der Arbeit in Schnitt 1. So wurden die Tätigkeiten für einen Vormittag ins Haus verlegt, und das Team nahm sich die bis dahin gefundene Keramik zum Waschen vor. Nachmittags konnte die Ausgrabung nach dem Abschöpfen des Wassers aus Schnitt 1 zum Glück fortgesetzt werden. Unter der nun aufgeweichten Erde traten noch an diesem Tag die Oberkanten von Bruchsteinmauern mit Kalkmörtelbindung im Süden und Westen des Schnitts hervor, deren weitere Freilegung den Fokus der restlichen Kampagne bildete. Um die Woche gebührend zu beenden, bekam das Grabungsteam Besuch vom Lokalfernsehen, das mehrere Studentinnen im Rahmen von Interviews über ihre Erfahrungen bei der Grabung und die bis jetzt erzielten Fortschritte befragte.
In der letzten Arbeitswoche begann schließlich die Aushebung des zweiten, 3 x 2 m umfassenden Schnittes innerhalb der Domus. Schon nach fünf Zentimetern stieß das Team auf die bereits in der geophysikalischen Untersuchung erfasste Mauer, die sich jedoch als Doppelformation herausstellte: Einer kalkgemörtelten Bruchsteinmauer mit farbigem Wandverputz wurde eine weitere Mauer aus opus caementicium mit wasserdichtem, so genannten hydraulischem Kalkmörtel vorgeblendet. Auch die Böden unterschieden sich in beiden Teilen des Schnittes: Während im nordöstlichen Bereich nach 0,35 m ein einfacher Estrichboden vorlag, wurde im Südwest-Teil erst auf 1,3 m Tiefe ein opus-signinum-Boden angetroffen.
Die bisher in Schnitt 1 freigelegten Mauern entpuppten sich in der dritten Woche mit Fortschritt der Arbeiten als Südwest-Ecke eines Gebäudes, dessen Stampflehmboden mit großen Fragmenten von mehr als 20 Amphoren bedeckt war, die für Aufbewahrung und Transport von Fischprodukten verwendet wurden. In den letzten Tagen der Lehrgrabung wurde das Team schließlich von den zwei Archäobotanikerinnen Paola Torri und Jessica Zappa von der Università degli Studi di Modena e Reggio Emilia verstärkt, die innerhalb beider Grabungsschnitte Pollenproben zur weiteren Analyse abnahmen.

Eine stattliche Fundbilanz

Nach drei Wochen Arbeit kamen somit neben erwarteten auch unerwartete Grabungsergebnisse und eine Vielzahl an bemerkenswerten Funden zutage: Neben großen Mengen an Bau-, Grob- und Feinkeramik konnten ebenso diverse Buntmetallartefakte (bspw. eine Bleiplakette und eine Pinzette) und zwei Silbermünzen geborgen werden. Insbesondere Schnitt 1 zeichnete sich durch einen hohen Anteil an Tierknochen aus, deren Auswertung ebenfalls noch aussteht. Das Fundmaterial liefert jedenfalls einen deutlichen Hinweis auf die ausgezeichneten Handelsverbindungen der Stadt.

Auch überirdisch wurde geforscht

Während das Grabungsteam ausschließlich mit der Freilegung der antiken Überreste von Regina Turdulorum beschäftigt war, wurden von zehn weiteren Studierenden  archäologische Surveys durchgeführt. Im Zuge dessen wurden im Umkreis von Regina Turdulorum über 350.000 Quadratmeter auf der Suche nach Spuren menschlicher Aktivität systematisch begangen, aber auch in Portugal konnten zwei archäologische Fundstätten in der Nähe von Miróbriga untersucht werden. Weiter ergänzt wurden die Wiener Forschungen durch geophysikalische Untersuchungen des Teams der Universität Marburg (hierzu demnächst mehr).

Erst die Arbeit, dann das Vergnügen

Ausgrabung und Survey bestimmten zwar den Großteil der drei Wochen, doch auch für andere Unternehmungen blieb Zeit. Die freien Wochenenden wurden von den Studierenden damit verbracht, die Gegend rund um Casas de Reina zu erkunden. Neben Wanderungen durch die beeindruckende Landschaft wurde auch die auf einem Hügel gelegene arabische Burgruine Castillo de Reina besichtigt. Von dort konnte das gesamte Umland von Casas de Reina überblickt und sogar die Grabungsflächen aus der Ferne betrachtet werden. Den krönenden Abschluss bildete ein gemeinsamer Ausflug aller Grabungs- und Surveyteilnehmer*innen nach Mérida: Dort waren besonders die vielen hervorragend erhaltenen römischen Monumente und das Nationalmuseum für römische Kunst von Interesse, bevor beide Teams die Heimreise nach Wien antraten.

Autorinnen: Julia Tanzer und Elisabeth Todt