Lehrgrabung al- Jumayil 2021

Ein paar Worte vorab

Nach einjähriger Unterbrechung konnte im September 2021 die Lehrgrabung der Universität Wien unter der Leitung von Frau Prof. Hamarneh in Al-Jumayil (Jordanien) wieder stattfinden. Auch dieses Jahr konnten Student*innen des IKA in den vier Wochen auf der Grabungsfläche praktische archäologische Kenntnisse erlernen, festigen und vertiefen.
Ziel der diesjährigen Grabung war die Dokumentation und Freilegung des runden Nebengebäudes einer byzantinischen Kirche. Zudem wurde mit der Digitalisierung des Kernbereichs der antiken Site mittels Photogrammmetrie begonnen.

Die antike Siedlung von Al-Jumayil befindet sich in der Nähe der Weltkulturerbestadt Umm er-Rassas. Die Siedlung wurde in der Spätantike nach einem Erdbeben aufgegeben. Einige Gebäude und Strukturen wurden jedoch im Mittelalter und teils in der Neuzeit von Beduinen weitergenutzt.

Der Grabungsalltag zwischen Steinen und Staub

Bei unserer ersten Ankunft an der Grabungsfläche von al-Jumayil sahen wir uns mit einem oberflächlich gelegenen riesigen Meer an Steinen konfrontiert, unter welchem sich die Reste antiker Baustrukturen verbergen. In den ersten beiden Tagen auf der Grabungsfläche wurden uns die Site – d.h.: die Ausgrabungsstätte – von Prof. Hamarneh vorgestellt und die Ergebnisse der vorangegangenen Grabung erklärt. Die Grabungsarbeit selbst begann mit der Definition der Grabungsfläche und der Aussteckung des 9x9m großen Schnittes. Als Ziel der Lehrgrabung wurde es sich vorgenommen, Klarheit in eine bisher undefinierbare annähernd runde bauliche Struktur, welche in unmittelbarer Nähe zu einer Kirche mit Apsis einige Zentimeter aus dem Boden ragte, zu bringen. Zur gesamtheitlichen Dokumentation der Ausgangssituation, dem Zustand der bereits fortgeschrittenen Wüstung, sowie unseres Grabungsfortschrittes wurde bereits vor Beginn der Arbeiten ein erstes SFM (structure from motion) vom diesjährigen Schnitt erstellt, bevor schließlich die Grabungsarbeiten beginnen konnten.
Zusammen mit unseren jordanischen Arbeitern begannen wir Stein für Stein und Schicht für Schicht die antike Struktur freizulegen. Frau Prof. Hamarneh und die bereits erfahreneren Studierenden erklärten uns, während der Arbeiten, wie Schichten und bauliche Strukturen unterschieden werden, welche Aufgaben bei der Dokumentation der einzelnen Schichten erledigt werden müssen und zeigten uns was man bei den Bildern für die digitale Dokumentation (SFM, 3D-Modelle) beachten muss.
Nach einigen Tagen zeichnete sich dann langsam ein klareres Bild der Situation im Schnitt ab. Die vormals rund wirkende Struktur setzte sich aus zwei Teilen zusammen: Zum einen aus einer symmetrischen halbrunden byzantinischen Apsis und zum anderen aus einer sich daran anschließenden unregelmäßig verlaufenden mamlukischen Mauer. Die zeitlich spätere mamlukische Mauer konnte nach ihrer Freilegung, Dokumentation und Digitalisierung abgetragen werden. Die Entnahme des sich darunter befindlichen strukturellen Versturzes mit einigen steinernen Platten, welche teilweise bis zu 3 Meter lang und mehrere 100 Kilo schwer waren, stellte eine besondere Herausforderung für uns alle dar – zumal dieses Unterfangen bei ca. 35 Grad und strahlendem Sonnenschein durchzuführen war.
Letztlich machte sich die harte Arbeit jedoch bezahlt und wir schafften es in den letzten Tagen der Kampagne das byzantinische Bodenniveau der Apsis zu erreichen. Hier konnte unter einer dicken Schicht aus Asche und einer darunter liegenden hauchdünnen Schicht aus kompaktem gelben Feinsand, schließlich der Teil eines Bodenmosaiks mit floralem Muster freigelegt werden. Rechtzeitig zur „Entdeckung“ des Mosaiks durften wir auch das österreichische Botschafterpaar bei uns auf der Grabung begrüßen und ihnen die Ergebnisse und Fortschritte der Grabung präsentieren.

Neben den praktischen Erfahrungen, die bei der Arbeit auf der Grabungsfläche gesammelt wurden, beschäftigten wir uns nachmittags in der Unterkunft noch mit der Nachbearbeitung der Funde in Form von Waschen, Fotografieren und Zeichnen, wir lernten wie die Keramik der Region bestimmt werden kann und die Computer liefen auf Hochtouren, um die 3D-Modelle zu generieren.

Auch außerhalb des Schnitts erlebten wir während unserer Zeit in Jordanien so einiges. Wir besuchten die Georgskirche in Madaba, um die berühmte Mosaikkarte zu sehen. Bestaunten die Mosaike der Kirche auf Mount Nebo, des Dorfs Khirbet al-Mukhayyat und jene der Weltkulturerbestätte in Umm ar-Rasas. Weitere Ausflüge führten uns auf die Kreuzfahrerburg Al-Karak und in die Wüste von Wadi Rum. Besonders eindrucksvoll war jedoch die römische Stadt Gerasa im Norden Jordaniens, durch welche Frau Prof. Hamarneh uns einen Tag lang führte, sowie der Besuch in der nabatäischen Stadt Petra, welche wir abenteuerlich auf den Rücken von Kamelen durchritten.

Yala Bye – Resultate einer Grabung

 

Das Ergebnis unserer Grabung kann sich durchaus sehen lassen: Ein byzantinisches Mosaik wurde freigelegt, dokumentiert und provisorisch durch professionelle Mosaikrestauratoren aus der Weltkulturerbestätte Umm er-Rassas an seinen Bruchkanten gesichert. Außerdem konnte die Nutzung der ergrabenen Struktur als weitere Apsis des Kirchenkomplexes geklärt werden. Es wurden mehrere 3D-Modelle des Grabungsschnittes und einzelner Bauelemente erstellt, sowie ein flächiges 160x140 m großes 3D-Modell des Kerngebietes der Fundstätte Al-Jumayil angefertigt, aus welchem sich wiederum eine hochauflösende orthographische Karte, ein Grundrissplan der oberflächlich sichtbaren Mauerverläufe, sowie ein Höhenmodell (DEM – digital elevation model) der Siedlung generieren ließen.
Die Studierenden lernten vieles über die Geschichte der Region, das stratigraphische Graben, die Fundbearbeitung und digitale Dokumentationsmethoden.

Wir freuen uns schon jetzt nächstes Jahr wieder auf die Site zurückkehren zu können, um uns weiter der Erforschung des antiken Al-Jumayil zu widmen. Es wird sich zeigen, ob auch unter den noch verborgenen Strukturen der Grabungsstätte weitere Mosaiken auf ihre Entdeckung durch junge Archäolog*innen des IKA warten. Oder, wie wir im Schnitt oft gesagt haben: Yala, schau ma mal.

Ines Guth, Lisa Schlamp, Marie-Therese Schmid, Lea Maria Struck
Michaela Löffler, Estera Golian und Thomas Leutgeb