Lehrgrabung Jordanien al-Jumayil 2022
Wie bereits in den letzten Jahren fand auch heuer wieder eine Lehrgrabung der Universität Wien in al-Jumayil (Jordanien) unter der Leitung von Frau Prof. Dr. Basema Hamarneh statt. Ein Team, bestehend aus neun Studierenden des Instituts für Klassische Archäologie, trat im Juli 2022 die aufregende Reise nach Jordanien an. Untergebracht war die Gruppe in der Stadt Madaba südlich der Hauptstadt Amman.
In den ersten beiden Tagen nach der Ankunft hatten die Studierenden die Möglichkeit, einige interessante archäologische Sehenswürdigkeiten der Stadt zu besuchen und sich mit der Nachbarschaft vertraut zu machen. Dankenswerterweise durfte das Team des IKA zum Beginn der Kampagne einer Einladung der österreichischen Botschaft zum Abendessen in Amman nachkommen, um sich über die archäologischen Sehenswürdigkeiten des Landes, das Studium der Klassischen Archäologie und die Pläne der heurigen Grabung zu unterhalten.
Das Ziel der Gruppe war jeden Morgen die kleine Siedlung al-Jumayil, welche nach einer 45-minütigen Autofahrt erreicht wurde. Al-Jumayil befindet sich etwa 80 km südlich von Amman und liegt in unmittelbarer Nähe zu Umm ar-Rasas, einer Weltkulturerbestätte, die vor allem für ihr römisches Kastell und die Mosaiken ihrer Kirchen bekannt ist.
Ziel der diesjährigen Kampagne war es, im Anschluss an den im Jahr 2021 bearbeiteten Schnitt F04 den verbleibenden Teil des Presbyteriums sowie das Hauptschiff eines größeren Kirchenkomplexes freizulegen, von welchem im Vorjahr bereits die Apsis ergraben worden war. Mit tatkräftiger Unterstützung von vier Arbeitern aus dem Dorf war das gesamte Team in der ersten Grabungs-Phase damit beschäftigt, die vielen großen und schweren Bruchsteine aus dem Schnitt zu entfernen, bevor feinere Arbeiten möglich waren.
Nach dem Entfernen der ersten rezenten Schichten, konnten die ersten Befunde und architektonischen Bauelemente freigelegt werden. So wurden früh die hoch aufgehenden Reste der Bogenpfeiler des Kirchenbaus, oft mit den dazugehörigen Kämpfern entdeckt. Ebenso konnten Türsteine eines Durchgangs oder möglicherweise des Eingangs zum Hauptschiff am westlichen Ende des Schnitts ausgegraben werden. Weiters konnten die eingestürzten Keilsteinbögen, die einst zusammen mit großen Steinplatten einen Teil der Deckenkonstruktion des Baus bildeten, freigelegt werden. Die ergrabenen Befunde und Baubestände wurden tachymetrisch vermessen, fotografiert und anschließend von den Studierenden beschrieben. Zusätzlich wurden auch mehrere 3D-Modelle der Grabungsfläche und der einzelnen Befunde erstellt. Mit Hilfe der 3D-Dokumentation verschiedener Schichten konnten im Laufe der Kampagne der Grabungsfortschritt und die einzelnen stratigrafischen Einheiten besser sichtbar gemacht werden.
So wurden Tag für Tag Steine entfernt, Sand geschaufelt, Schichten bestimmt, dokumentiert und abgetragen. Der Arbeitstag auf der Fläche endete für das Team am frühen Nachmittag, da die Sonneneinstrahlung für längere Arbeitszeiten zu intensiv war. Die verbleibende Zeit am Nachmittag wurde jedoch für die Fund- und Nachbearbeitung genutzt. So mussten Tesserae gezählt und fotografiert, Keramik gewaschen, dokumentiert und gezeichnet werden. Selbiges galt auch für sämtliche weitere Kleinfunde aus Glas, Metall oder anderem Material, welche ebenfalls dokumentiert wurden. Besondere Fundstücke wurden zudem auch 3D-dokumentiert. Als Belohnung für die schwere Arbeit wurde jeden Abend gemeinsam gekocht und gegessen.
In der letzten Woche gelang es dem Team schließlich das Bodenniveau des Presbyteriums zu erreichen und das bereits im Vorjahr gefundene Mosaik sowie weitere Teile des Synthronons vollständig freizulegen.
In den weiteren Tagen wurden zudem die bauliche Trennung zwischen dem Kirchenschiff und dem Presbyterium, sowie die Überreste der dazugehörigen Chorschranken und eine Stufenanlage, welche die beiden Bereiche miteinander verbindet, freigelegt. Zu unser aller Freude, konnte zum Abschluss auch im östlichen Bereich des Kirchenschiffes selbst, unterhalb der Stufen und der baulichen Trennung, der erste Teil eines weiteren Bodenmosaiks freigelegt werden. Dieses zeigt ein geometrisches Muster aus roten, orangen, gelben, schwarzen und weißen Tesserae. Am letzten Tag der Grabung wurden die Mosaiken sorgfältig geputzt und befeuchtet, um die Farben für die abschließende fotografische Dokumentation deutlicher erkennbar zu machen. Zu guter Letzt wurde noch ein 3D-Modell vom gesamten Schnitt erstellt.
Neben den Grabungsarbeiten im Nordschiff des Kirchenkomplexes, wurden auch Digitalisierungsarbeiten an den Zisternen der Siedlung durchgeführt. So konnten im Laufe der Kampagne 9 Zisternen mittels LiDAR-Scans digital aufgenommen und vermessen werden. Die Erforschung der Zisternen und des Wassersystems trägt zu einem besseren Verständnis der antiken Siedlung und ihrer Infrastruktur bei.
Die freien Tage während der Grabungskampagne, wie in arabischen Ländern üblich freitags, wurden vom Team für die verschiedensten Ausflüge genutzt: In Petra wurden die beeindruckenden nabatäischen Steinbauten, die in den roten Felsen geschlagen sind, bestaunt. In Jerash wurden die Mosaiken der drei byzantinischen Kirchen besonders akribisch unter die Lupe genommen. Die St. Stephans Kirche in Umm ar-Rasas hat großes Interesse geweckt, da es das geographisch nächste Vergleichsbeispiel zur Kirche in al-Jumayil bietet. Der Ausflug nach Mount Nebo wurde vor allem dazu genutzt, die Aussicht und die Ruhe zu genießen. Neben den interessanten archäologischen Stätten hat es den Teilnehmenden vor allem das arabische Essen angetan. Spezialitäten wie Fatoush, Labaneh, Foul und andere nationale Gerichte wurden mit Vorliebe bestellt und verzehrt, und die kühle Lemonana, ein Getränk mit Minze, Zitrone und Eiswürfeln, war für so Manche*n ein Lebensretter an heißen Tagen.