Wohngebäude, Vereinshaus oder Hospiz?

Bauforschung und dreidimensionale Rekonstruktion eines singulären Gebäudes im römischen Bregenz

Projektträger: Institut für Klassische Archäologie

Projektleitung: Dr. Julia Kopf

Mitarbeiter*innen: Dipl. Ing. (FH) Sabrina Geiermann (scandric 3D Solutions), Tomáš Sobihard, BA

Finanzierung: Amt der Vorarlberger Landesregierung und vorarlberg museum

Laufzeit: 01.08.2020–30.11.2020

Kooperationspartner: Dr. Karl Oberhofer (Universität zu Köln)

Im Rahmen eines interdisziplinär angelegten Forschungsprojektes wurde das im römischen Bregenz singuläre Gebäude Nr. 7 in Bezug auf seine Architektur und mögliche Funktion näher untersucht. Das Hauptziel des Projektes war, mittels einer mit einer Ingenieurin im Fachbereich Architektur durchgeführten finalen bauanalytischen Untersuchung sowie durch Recherchen zu im Grundriss vergleichbaren Gebäuden im Imperium Romanum eine wissenschaftlich tragfähige Interpretation des Bregenzer Gebäudes zu erzielen. Als verwertbares Ergebnis wurde ein digitales dreidimensionales Rekonstruktionsmodell geschaffen, das auf CAD-Basis in verschiedener Art und Weise weitergenutzt werden kann. Abgesehen von Belangen für die Bauforschung lässt sich eine maßstäbliche Darstellung z. B. als 3D-Druck für die Kulturvermittlung realisieren.
Der Zweck des in den Jahren um 70 n. Chr. gebauten Gebäudes lässt sich noch nicht zweifelsfrei fassen, anhand von Grundrissvergleichen erscheint eine Deutung als Praetorium (Außensitz der Provinzverwaltung), Hospiz (öffentliches Unterkunftshaus) oder Vereinslokal (für den Kaiserkult?) am wahrscheinlichsten. Eine besondere Bedeutung des Gebäudes im Siedlungskontext wird jedenfalls auch anhand der hier gefundenen, bis heute einzigen mensa ponderaria im heutigen Österreich offensichtlich. Aufgrund fehlender inschriftlicher Belege lässt sich die Interpretation als (semi-)öffentliches Gebäude momentan allerdings nicht sicher belegen, sodass nur vertiefende Forschungen zu diesem Gebäude – inklusive Berücksichtigung des Fundmaterials und der Lage innerhalb der Siedlung – weitere Indizien für die Funktionsbestimmung liefern können.

Plan der Steingebäude A-C nach Jenny 1896 (= Geb. 7, 6, 5 nach Jenny 1898; vgl. Oberhofer / Picker / Reiterer 2016).

Literatur:

  • M. Bader, Militärische und zivile Siedlungsreste aus der Römerzeit am Böckleareal in Bregenz. Ein Vorbericht. Jahrb. Vorarlberger Landesmusver. 2011, 8−67.
  • S. Jenny, Bauliche Überreste von Brigantium. Jahrb. Vorarlberger Landesmusver. 1896, 16–25.
  • S. Jenny, Topographie von Brigantium. Mittheilungen der K.K. Central-Commission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale 24, 1898, 157–160.
  • J. Kopf / K. Oberhofer, Forschungsprojekt Bregenz Böckleareal: eine Zwischenbilanz. In: Ch. Baur (Hrsg.), Ausgraben – Dokumentieren – Präsentieren. Jahresbericht des Instituts für Archäologien der Universität Innsbruck 2013 (Innsbruck 2015) 34 f.
  • K. Oberhofer, Zwei bemerkenswerte Hohlmaßsteine aus Brigantium/Bregenz: Neue Erkenntnisse zur mensa ponderaria. Arch. Korrbl. 50, 1, 2020, 57–75.
  • K. Oberhofer / A. Picker / U. Reiterer, Von der groma zum GIS. Der digitale Stadtplan von Brigantium/Bregenz. Fundber. Österreich 55, 2016 (2018), 535–554.
  • J. Kopf, Soldiers, slaves, priests, administrative servants(?). Persons with Greek/oriental names in Rhaetia. In: Proceedings Limes Congress XXV, Nijmegen 2022 (in Redaktion)