Dissertationsprojekt

Arbeitstitel: "Pre-consumption deposits: Eine Untersuchung zur Produktion von Terra Sigillata und ihrem Handelsnetz im 2. Jahrhundert n. Chr."

Der Begriff pre-consumption deposit bezeichnet einen Fundkomplex, der zwischen den Schritten der Produktion und der Nutzung durch Verbraucher*innen unter die Erde gelangt war. Mit Hilfe solcher Fundgruppen können die verschiedenen Prozesse von der Produktion bis zur Lagerung am Handelszielort verfolgt werden. Das Material hat jedoch aus verschiedensten Gründen, die heute oft nicht mehr nachvollziehbar sind, die Verbraucher*innen nie erreicht. Im Vergleich zu herkömmlichem Siedlungsabfall weisen sie bestimmte Charakteristika auf. Auffällig bei dieser Art von Sammelfunden ist ein begrenztes Formenrepertoire, wobei einige wenige Formen in einer sehr hohen Anzahl vorliegen. Ein weiteres Charakteristikum ist der hohe Anteil an vollständigen Gefäßen. Diese können stark fragmentiert sein, doch lassen sich bei der Bearbeitung des Fundkomplexes viele anpassende Stücke finden und somit viele vollständige Gefäße zusammensetzen. Pre-consumption deposits weisen auch oft viele Stempel von nur wenigen Töpfern auf. Zudem fehlen Gebrauchsspuren und Besitzmarkierungen in Form von Graffiti weitgehend, welche typisch für gewöhnliche keramische Siedlungsfunde, d.h. regulär benützte Keramik, sind. Aufgrund dieser genannten Charakteristika deuten pre-consumption desposits auf Fundkomplexe, die nach ihrer Produktion nie in ihrer beabsichtigten Funktion genutzt worden sind.

Die Bedeutung dieser Fundkomplexe und ihr ungenutztes Potential für die Erforschung von Keramik sollen im Zuge des Dissertationsprojektes genauer untersucht werden. Der Fokus der Arbeit liegt auf pre-consumption deposits, die hauptsächlich aus Terra Sigillata (rot engobierte Feinkeramik) bestehen und in die Mitte des 2. Jh. n. Chr. datiert werden. In dieser Zeit ist die mittelgallische Terra Sigillata von großer Bedeutung. Sie wurde vor allem in den Produktionszentren von Lezoux und Martres-de-Veyre hergestellt, die den Höhepunkt ihrer Bedeutung im 2. Jh. erreichten, nachdem sie das Monopol der südgallischen Produktion abgelöst hatten. Die Gefäße wurden größtenteils in die nördlichen Regionen des Römischen Reiches exportiert, wie nach Britannia, Raetia, Germania Superior, sowie auch in den gallischen Provinzen selbst verteilt. Ab der Mitte des 2. Jh. begann auch die Terra Sigillata aus Rheinzabern an Bedeutung zu gewinnen, die dann im 3. Jh. die mittelgallische Produktion ablöste. Pre-consumption deposits sind nicht nur Zeugen des Exports von Terra Sigillata an verschiedene Orte, sondern verschaffen uns auch ein aufschlussreiches Bild des Handelsnetzes des 2. Jh. in den nordwestlichen Provinzen des Römischen Reiches.

Den Ausgangspunkt des Dissertationsprojektes bildet ein pre-consumption deposit von Bregenz, auch als Sammelfund 1911 bekannt. Dieser Fundkomplex wurde vor mehr als 100 Jahren ausgegraben, aber nie aufgearbeitet und vorgelegt. Das Material dieses Fundes, welches aus süd- und mittelgallischer Sigillata aus dem 2. Jh. besteht, wird im Zuge des FWF-Projekts „Bedeutsame Scherben: Sigillata aus pre-consumption deposits (P34600-G) unter der Leitung von Dr. Julia Kopf bearbeitet und untersucht.

Die Untersuchung und der Vergleich der verschiedenen Fundorte und der pre-consumptions deposits zeigen Unterschiede und Gemeinsamkeiten auf, die weitere Rückschlüsse auf die Produktion der Terra Sigillata selbst, ihre Handelswege und Versorgungsmechanismen erlauben.

Literatur (Auswahl)

  • G.B. Dannell – A.W. Mees, Getting samian ware to Britain: routes and transport possibilities, JRomPotSt 16, 2015, 77–92.


  • M. Fulford, Shops, Stalls, Stores: Pre-consumption deposits and centrally organised distribution in Antonine Britain, Britannia 45, 2014, 279–284.


  • A. Hild, Archäologische Forschungen in Bregenz, ÖJh 26, 1930, Beibl. 115–176.


  • M. Rhodes, Roman Pottery lost en route from the kiln site to the user – A Gazetteer, JRomPotSt 2, 1989, 44–58.


  • M. Weber, A Reassessment of Pre-Consumption Deposits and Samian Export in the Antonine Period, in: M. Fulford – E. Durham (Hrsg.), Seeing Red. New economic and social perspectives on Terra Sigillata. BICS Suppl. 102 (London 2013) 188–209.

Kontakt: Marina Palmieri, BA MA

E-Mail: marina.palmieri@univie.ac.at